Es mag vielleicht vorerst auf Widerstand stoßen, doch es ist bei genauerer Betrachtung nicht von der Hand zu weisen, dass die moderne Hundehaltung weniger auf Vertrauen basiert als auf Misstrauen und Bevormundung.
Verständlich, wir in unserer hoch gebildeten, reichen Gesellschaft unterliegen vielen Regelungen, die uns das Zusammenleben mit Anderen auf engstem Raum erleichtern sollen. Umso logischer erscheint es, dass gerade die Haltung eines Raubtiers gewissen Regularien unterliegen muss, damit kein völliges Mayhem ausbricht.
Am Ende des Tages handelt es sich beim Hund schließlich um ein unberechenbares Tier, welches wie aus dem Nichts zu einem Menschenfresser mutieren kann. Um möglichst große Sicherheit für den Menschen zu gewährleisten ist es folglich notwendig erst den Besitz eines solchen Raubtiers zu prüfen, zu zertifizieren, zu genehmigen, unter Umständen unter Verbote, beziehungsweise Bedingungen zu knüpfen, und danach den privaten Umgang mit diesem ebenfalls unter die wachsamen Augen selbsternannter Tierschützer zu stellen.
„Wenn die Sicherheit regiert, steigt das Misstrauen prompt“
Oder wie erklären Sie sich den gehässigen Umgang unter Hundehaltenden?
Es scheint als gäbe es niemanden, dem man in Sachen Hundeerziehung und Ernährung vertrauen kann. Nicht einmal der Hundetrainer, der einer ausgiebigen Ausbildung auf Basis allgemeingültiger wissenschaftlicher Erkenntnisse unterliegt, ist qualifiziert genug, um fachlich korrekte Aussagen treffen zu dürfen, oder gar fähig auf nicht-schädliche Weise mit Hunden umzugehen.
Jeder weiß was für alle Hunde das beste ist, und so wird nicht selten auf der Straße und den sozialen Medien mit geistigen Fäkalien um sich geworfen, bis sich jeder seine ganz persönliche, sichere Burg daraus gebaut hat. Bewegung unerwünscht, denn Bewegung bedeutet Veränderung und Veränderung bedeutet andere Sichtweisen anzunehmen – gerade das ist es ja, wogegen man sich am meisten wehrt.
Die Veränderung, das Ungewisse zu erleben, es zuzulassen erfordert Selbstvertrauen, aber gerade an ihm mangelt es in Zeiten höchster materieller Sicherheit am meisten. Denn, wenn sich nichts verändert, dann kann auch nichts Schlimmes passieren, oder?
Wenn man mentale Vergreisung, stagnierende Persönlichkeiten, Verbitterung durch verpasste Chancen, krankhaften Materialismus, Unterdrückung von Gefühlen durch Scheinkompetenzen als „nichts Schlimmes“ ansieht, dann ist Angst und die daraus resultierende Fremdbestimmung wahrlich kein gravierender Einschnitt in die Freiheit eines Individuums.
Die Haltung eines Hundes erfordert eine intensive Einweihung in die Pflichten eines Hundehalters, dazu gehört dass Wissen, dass die eigene Intuition und der gesunde Menschenverstand allein nicht ausreicht, um den wertvollen Hund vollumfänglich versorgen zu können. Nein, Hundefutter ist am sichtersten, wenn es durch mehrere Verarbeitungsprozesse gejagt wird, damit es am Ende so wenig mit der eigentlichen Ernährung eines auf der Erde ansässigen Lebewesens gemein hat, dass es erst mit der künstlichen Hinzugabe von im Labor hergestellten Nährstoffen wieder brauchbar gemacht werden muss; und die fast universelle Sprache der Zuneigung, der Liebe, Geborgenheit, die muss ebenfalls erst gelernt werden, denn jede falsche Handbewegung könnte traumatische Erlebnisse für den Hund zur Folge haben.
Weil Meinung mit Wissen verwechselt wird, sprießen nicht nur zahlreiche namenlose Hundetrainer aus dem Boden der Unsicherheit, auch dass Misstrauen in die eigenen Fähigkeiten leitet den Menschen von Morgen an. Wenn schon die simple Ernährung eine unlösbare Aufgabe ist und in die Hände einiger Weniger gelegt wird, wie soll man da noch von Selbstwirksamkeit sprechen?
Sehen Sie die Parallelen zur steigenden Tendenz sich von Fertiggerichten zu ernähren, zu den Einfamilienhäusern, die schon mehr Bunkern ähneln als einem liebevollen Zuhause?
Rationiertes, bis in die Ewigkeit haltbares Essen, Bunker und leere Gärten – Zeugen des psychologischen Krieges, welchen der Mensch gegen sich selbst führt.
So tobt die Sehnsucht nach Freiheit unermüdlich in unseren Herzen, bis sie sich auch im Außen manifestiert und die Existenz einer Dysbalance zwischen den Mächten nicht mehr zu leugnen ist. Im Namen der Sicherheit vernichtet er jegliche Möglichkeit durch Entwicklung inneren Frieden zu finden. So deklariert er Pflanzen als Unkraut, verwaltet die Existenzen ganzer Arten, indem er Gifte in die Natur spritzt, die ihm einst das Leben schenkte. Mit der Auslöschung unvorhersehbarer, unkontrollierbarer Eventualitäten wird der Mensch die Unvorhersehbarkeit in sich selbst finden.
Wasser, das Element was uns Alle zusammenhält, ob Mensch, Hund, Biene oder Baum, wird zur Seltenheit.
Um eine derart anpassungsfähige Tierart wie den Homo Sapiens zu vernichten, bedarf es der Zerstörung eines gesamten Planeten.
Doch, wenn niemand mehr da ist, um Andere in Kategorien wie „invasiv“ oder „Kampfhund“ einzuordnen, dann wird sie sich erholen. Die Erde.
Unermüdlich wird sie Leben erschaffen und, wenn sie es nur lange genug macht, dann wird sie irgendwann ein Wesen wie den Menschen erschaffen, welches das Ego nicht über die Freiheit stellt.
Ganz schön weitreichend, wenn man bedenkt, dass dieser Text mit dem Vertrauen zum Hund begonnen hat.
Die Art und Weise, wie wir Andere sehen, was wir glauben über sie zu wissen, bestimmt unseren Umgang mit uns selbst, mit anderen Menschen, mit den Pflanzen und am Ende entscheidet es über die Art und Weise, wie man sich an uns erinnert. Ob wir eine tiefe Narbe auf der Erdkruste hinterlassen, oder eine Wiege für alle die nach uns kommen.
Es wird Zeit, dass der Mensch das Trauma der vorangegangenen Ereignisse überwindet.
Es ist nicht der Hund, dem es an Liebe und Vertrauen mangelt.
Schauen Sie sich nur einmal um. Eigene Instagram-Profile für Hunde, sündhaft teure Hundebetten, eine allein für den Hund bestimmte Philosophie, die dem Hund eine grenzenlose Welt präsentiert, in der nur er die Hauptrolle spielt. Hunde, die über das Leben ihrer Menschen bestimmen. Seien Sie bloß gut zu den Hunden, sonst sind Sie nicht besser als die Persönlichkeiten, die uns in der Vergangenheit solch großes Leid beschert haben. Wer wundert sich da heute noch über immer mehr Hunde, die aufgrund grenzverletzenden Verhaltens in Tierheimen landen, „resozialisiert“ werden müssen und am Ende des Tages vergessen werden, weil sie nicht das sind, wonach sich der Mensch so verzweifelt sehnt.
Erinnern Sie sich an das Raubtier vom Anfang dieses Textes?
Wie beschreiben Sie eine Beziehung, in der der eine dem Anderen ständig Geschenke macht, der Beschenkte aber, trotz der Liebe, die ihm entgegen gebracht wird, keine Notwendigkeit darin sieht den Schenkenden mit Respekt zu behandeln? Stattdessen wird mit jedem Biss, jeder Gewalttat, das Verhalten des Beschenkten damit entschuldigt, dass der Schenkende nicht genügend Liebe entgegengebracht hat. Täter – Opfer-Umkehr?
Das menschliche Verhältnis zum Hund ist viel mehr als eine reine Zweckbeziehung. Es scheint, als würde der Mensch durch den Hund eine Unterhaltung mit sich selbst führen. Als wäre der Mensch in der Ambivalenz zwischen Urvertrauen und Urangst gefangen. Allein deswegen bedarf es mehr als reinem Gehorsam. Der Hund ist nur zusätzlich ein Arbeitspartner, in erster Linie ist er die Verbindung zur Ursprünglichkeit, zur Emotion.
Hundetraining, damit ist die Abrichtung des Hundes auf die Kontrollierbarkeit durch Reize (Signale, Kommandos, Settings, Gegenstände, usw.) gemeint, zielt darauf ab den Hund „sicher“ für den Menschen zu machen, keineswegs wird damit ein Hund selbstbewusst gemacht. Selbstbewusstsein bedeutet genau das, was das Wort buchstäblich beschreibt. Wer sich seiner Selbst bewusst ist, ist sich auch über seine Möglichkeiten, seiner Wirksamkeit, seiner Freiheit und der Relativität des Ganzen bewusst. Versuchen Sie auf eigene Faust einen Wolf zu dressieren, wie wir Menschen es beim Hund tun. Sie werden sehr schnell auf Widerstand stoßen, denn der Wolf weiß um seine Fähigkeiten, es sei denn, er wurde vom Menschen vom Welpenalter an aufgezogen und lebte seither in Gefangenschaft. Es ist nur gesund einem Wildtier nicht zu trauen, aber ein Tier deswegen seiner Freiheit zu berauben, nur um damit Schindluder wie die Zurschaustellung oder sinnbefreite Hybridzucht zu betreiben damit es, gefühlt, sicherer wird, ist anmaßend. In Sachen „Hund“ haben wir wenig Gründe ihm zu mistrauen, schließlich schlafen sie sogar in unseren Betten. Nichtsdestotrotz halten wir es immer noch für notwendig ihn einer Gehirnwäsche, Konditionierung, zu unterziehen. Selbst der Schäfer hat es nicht nötig seine Hunde derart zu verunsichern.
Letztendlich spiegelt der Hund nur das, was in uns Menschen tobt.
Entspannte Menschen, entspannte Hunde, das ist kein Training, das ist eine Entscheidung.
©Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.